Kultur Kolumne


Behördendeutsch

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Nicht schön, aber eindeutig: hier weiß jeder sofort, was gemeint ist

Das, was man meint und jenes, was geschrieben steht, ist in den allermeisten Fällen nicht deckungsgleich. Die merkwürdigste Variante des Auseinanderdriftens von tatsächlicher Schrift und eigentlichem Ziel und Zweck der Aussage ist das Behördendeutsch bzw. Beamtendeutsch. Hier sind keine Gefühle, Stimmungen oder Meinungen zu berücksichtigen (wodurch beispielsweise die Umgangssprache ganz zwangsläufig beeinflußt wird); ebenso kann durch Mimik und Gestik nichts abgewandelt werden. Dennoch versteht der Normalbürger in der Regel nichts und die kleine Elite, die dem Kauderwelsch inhaltlich folgen kann, schüttelt nachdenklich den Kopf. Allein die Länge der Behördendeutsch-Texte ist meistens ermüdend bis unerträglich.

Beamtendeutsch, das keiner versteht

Wo die Ursachen für diese mehr als sonderbare Form des Deutschen zu finden sind, weiß höchstwahrscheinlich niemand. Eine denkbare Erklärung: das wurde schon immer so gemacht. Hilfreich könnte es für Behörden sein, jemanden zu fragen, wie die Sprache verständlicher gemacht werden könnte: Kinder würden es ganz einfach umschreiben, eine moderne Internetagentur würde gleich an die mögliche digitale Vermarktung der Inhalte nachdenken, Twitter-Nutzer hätten in 140 Zeichen alles gesagt und vermutlich hat Google auch für Behördendeutsch bzw. Juristendeutsch ein kostenloses Übersetzungstool.

Hier ein Beispiel, das durchaus als Abschreckung dienen darf:

Versicherungspflichtig sind gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sowie § 24 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) Arbeitnehmer.

Solche Sätze in epischer Breite stammen von der Deutschen Rentenversicherung. Vermutlich war gemeint: Arbeitnehmer sind gemäß gesetzlicher Regelungen versicherungspflichtig.

Foto: Thomas Kohler@Flickr CC-Lizenz

Kommentare

13 Antworten zu „Behördendeutsch“

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  1. David

    Amen und Danke!! Kommunikation ist so wichtig. Leider gibt uns die deutsche dafür nicht die richtigen Tools an die Hand. Wo wir in anderen Sprachen emotional und direkt auf den Punkt kommen wir hier alle nur Menschen mögliche getan um keine direkte Aussage zu treffen.

  2. Dieser Hang zur Nominalsprache geht weit über die Behörden hinaus. Irgendwas an uns Deutschen verleitet uns dazu, immer wieder in diesen Duktus zu verfallen, wenn wir über ernsthafte und gewichtige Themen reden wollen. Selbst in diesem Blog hier findet man dazu ein tolles Beispiel. Im Artikel über Multikulti heißt es:
    „Multikulturalismus ist der Oberbegriff für eine Reihe sozialphilosophischer Theorieansätze mit Handlungsimplikationen für die Kulturpolitik eines Landes.“
    Ich musste lachen, als ich das gelesen habe, denn es beißt sich doch etwas mit der Kritik, die hier in diesem Blogartikel rauszulesen ist. Aber ich bin da selbst auch nicht immun dagegen. Sobald ich präzise werden will, verschwinden die Verben.

  3. Übersetzerin

    Deutsche Sprache war noch nie einfach. Gut, dass es Leute gibt, die sich mit Sprachen professionell auskennen. 😉

  4. Mein Highlight aus der Rubrik „kurz und prägnant“ lautet:
    Abweichend hiervon ist der steuerfreie Teil der Rente bei einer Veränderung des Jahresbetrags der Rente in dem Verhältnis anzupassen, in dem der veränderte Jahresbetrag der Rente zum Jahresbetrag der Rente steht, der der Ermittlung des steuerfreien Teils der Rente zugrunde liegt. § 22 Nr. 1 S. 3 a) aa) S.7 EStG.

    Noch Fragen? 😉

  5. Es ist immer wieder lustig zu sehen, was für „verwurschtelte“ Sätze im „Beamtendeutsch“ zu finden sind.

  6. Darmstadt

    Es ist immer wieder lustig zu sehen, wenn selbst Beamte ihr verfasstes Beamtendeutsch nicht mehr verstehen.

  7. Hahaha super Beitrag, da ich selbst Beamter bin gerade noch lustiger 🙂 Daumen hoch! Lg, Linus

  8. Peter

    Die Formulierungen sind doch gewollt so eckig und unklar.
    Nach dem Motto: wird schon stimmen, dann zahl ich lieber mal…

  9. Ralf

    Na, das wäre ja noch schöner, wenn jeder sofort verstehen würde, was unsere Staatsbediensteten da so manchmal schriftlich von sich geben. Sind wir denn hier im Kindergarten? 😉

  10. Was hatte ich damals in den Medienrecht-Vorlesungen für Sätze. Die waren manchmal zu lange, um auf eine Powerpoint-Folie zu passen. Deswegen lob‘ ich mir Englisch. DAs ist meistens kürzer und prägnanter.

  11. Mike

    Hehe, ich habe kürlich mich mal mit dem Kindergarten auseinandergesetzt, da gibt es ja auch ein BGH-Urteil dass jeder nen Anspruch auf nen Platz hat, und dieses Urteil beruft sich doch glatt auf das Strafgesetzbuch! Dieses Land ist echt manchmal–komisch.

  12. Thomas

    Vielleicht soll das auch keiner verstehen. 🙂 Im Ernst: Wahrscheindlich geht es dabei vor allem darum, dass die Texte juristisch wasserfest sind. Die Verständlichkeit muss dann eben hinten anstehen (was wiederum dem Berufsstand der Juristen zugute kommt).

  13. :o)))) Dein Beispiel ist großartig. Sowas nennt man epische Breite, würde ich sagen. Hahaha!